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Terminitus empfiehlt

Lieder die man k(o)ennen sollte

Hier ein alter Post von der Zeitschrift “Termit – Linke Emenazipatorische Flugschruft mit Terminen” (die Zeitschrift wurde Mitte 2014 eingestellt und ist nun auch nicht mehr online)

Dora 2 – Kai Degenhardt

auf der CD: Briefe aus der Ebene, 2003

Ich kam ja nicht durch,
da war die ganze Zeit besetzt
bei dir, aus Ärger hab ich dann
den Hörer von der Wand gefetzt.
Dann wurd es hinter mir blau,
vier Männer hielten mich fest,
es heißt, ich hätte wen mit einem
stumpfen Gegenstand verletzt.

Sie brachten mich nach unten,
und nun sitz ich hier allein
in dieser Hundehütte, und ich träum
davon bei dir zu Haus zu sein.
Kann nicht schlafen bei dem Lärm hier,
kann nicht denken in dem Loch.
Kann sein, ich falle in der Dusche,
doch hier drin, da koch ich hoch.

Oh, Dora 2,
du mieses Stück
aus Dreck und Steinen,
werd ich in dir sterben oder bloß verrückt?
Das Gitterkreuz vorm Fenster
wirft nen Schatten an die Wand.
Vielleicht geh ich in dir unter,
ich seh weit und breit kein Land.
Doch hab ich’s durch
die Nacht geschafft
geh ich nicht raus
zum Körbeflechten,
ich bleib hier und liege wach,
und ich plane meine Pläne
oder bete für ein Beben,
Dora 2 –
ich bin dabei.

Draußen war ich ziemlich grau,
stand lange da ohne Verein,
mischte nie bei etwas mit,
man traf mich nicht bei Schlägereien.
Wollte nur raus aus diesem Rattenrennen,
ganz weit weg abhauen
mit dir, jetzt sitz ich zwischen
all den wilden Tieren hinterm Zaun.

Der Sparkassenmann
mit dem Piercing im Gesicht
der wollt den Helden spielen – for nothing –
da hab ich ihn erwischt.
Die Minuten wurden lang und länger,
lag da wie ein Stein.
Ich konnte mich an nichts erinnern
und da brachten sie mich rein.

Oh, Dora 2,
du Stück aus Dreck,
du kannst mich nicht dressieren,
eher laufe ich dir weg.
Draußen machen sie Geschichte
und die halbe Welt steht Kopf,
jemand tritt vor meine Tür
für eine Runde übern Hof.
Doch irgendwann,
sei drauf gefaßt,
dann bin ich dir womöglich über,
mit den andern auf dem Dach.
und bis dahin werd ich leben
deine Mauern werden beben,
Dora 2,
dann bin ich frei.

Knast ist Scheiße

Die CD “Briefe aus der Ebene” ist zwar aus dem Jahr 2003, wie auch immer: Kai Degenhardt (ja er ist er Sohn des Liedermachers Franz Josef Degenhardt) macht die ultimative Herbst/Winter Musik! Mit Liedern wie “Desertieren” macht er Mut auf bessere Tage und vor allem schöneres Wetter. Ultimativ coole Sprüche zum an die Wand sprühen enthält das Lied “Bevor wir verteilen”… wird der Kuchen gestürzt. Am besten ihr hört euch die CD selber an: Einfach USB-Stick zum Freitags-Baisl im Sub mitnehmen, ich werde die Lieder zur freien Verteilung dort deponieren.

SantaFu

SantaFu: „Strafanstalt Fuhlsbüttel“ im Verwaltungsdeutsch „St. Fu“ abgekürzt

DIGITAL CAMERANun zum eigentlichen Thema: Das Lied Dora 2. Leider ist es nicht leicht, Informationen über die Geschichte von Dora 2 zu finden, dennoch führen die Spuren meiner Recherche zum Knast in Fuhlsbüttel/Hamburg (Dora 2 ist wohl ein Gebäude oder Zellentrakt im Knast Fuhlsbüttel). Der Knast SantaFu(1) wurde in den 70er Jahren berühmt, nachdem mehrere Fluchten geglückt waren, die in Schlagzeilen wie “Santa Fu und raus bist Du!” thematisiert wurden. Der Knast existiert seit 1879. Während der NS Zeit hat der Knast auch eine traurige Geschichte:
“Die Machtübernahme der Nationalsozialisten stoppte das Vorhaben, die Fuhlsbütteler Anstalten abzureißen. Stattdessen wurde im März 1933 in Haus II das KZ Fuhlsbüttel (KoLaFu) eingerichtet, das später in Haus IV verlagert und der SS übergeben wurde. 1944 wurde kurzzeitig eine Außenstelle des KZ Neuengamme in der JVA Fuhlsbüttel eingerichtet.”

Heiße Ware aus dem Knast

Auch heute wird zweifelhafte Geschichte geschrieben. Unter dem Slogan “SantaFu – Kreative Zellen – Heiße Ware aus dem Knast” werden dort von Häftlingen Kleidung und andere Dinge produziert. Das Schlimme daran ist, dass der Gefängnisaufenthalt und die Zwangsarbeit hier zu einem Hype stylisiert werden. Beispielsweise kann man ein Handtuch kaufen auf das “Strafvollzug” eingenäht ist. Der Beschreibungstext dazu lautet folgendermaßen:
“Für mehr Getuschel unter den Gästen: Das Original-Handtuch aus dem Strafvollzug. Wenn Sie Ihre zukünftigen Schwiegereltern oder andere humorlose Gäste irritieren möchten, hängen Sie einfach dieses Handtuch ins Bad und sagen, es wäre ein liebes Erinnerungsstück. Am besten Schrift nach vorn und leicht auseinander ziehen.” Auch das “Cap der guten Hoffnung” ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. Den Rest gab mir dann das T-Shirt mit dem Aufdruck “Ich will hier raus!”

Zwangsarbeit im Knast

Leider bin ich zu wenig Expertin, um über Zwangsarbeit im Knast viel zu sprechen, aber eines ist sicher: Im Knast ist man verpflichtet, zu arbeiten und sei es nur deshalb, um einer “guten Führung” nichts in den Weg stellen zu lassen. Wer sich weigert, steht als Saboteur_in schnell auf der Abschussliste. Auch in Europa stellen billige Arbeitskräfte im Knast einen immer wichtigeren Wirtschaftssektor dar. Die US-Haftanstalten sind dafür sicherlich ein Vorbild, dort wird enorm viel unangenehme Arbeit von diesem Sektor abgedeckt (beispielsweise für die Rüstungsindustrie).
Letzlich bleibt nur zu sagen:

“Doch irgendwann, sei drauf gefaßt, dann bin ich (…) mit den andern auf dem Dach. Und bis dahin werd ich leben, deine Mauern werden beben, Dora 2, dann bin ich frei.”

Quellen
www.liedermacher-forum.de/modules/rezen…
de.wikipedia.org/wiki/Justizvollzugsans…
www.santa-fu.de

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