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Einleitung: Die Annäherung zwischen Kuba und den USA überrascht zunächst. Wie ist das zu erklären?
Teil 1: Kuba und die USA, Weltmarkt und Weltmacht
Der Antiimperialismus Kubas beruht auf der Forderung nach Gleichberechtigung, der von den USA nicht entsprochen wurde
Freihandel und Embargo: Der Ausschluss aus dem Weltmarkt hat sich als Druckmittel nicht bewährt. Das liegt daran, was Handel, Austausch an Waren überhaupt bewirkt.
Teil 2: Der Rest der Welt – die internationalen Institutionen und die Folgen der Aussöhnung
Die UNO, der IWF, OAS und CELAC, NAFTA und ALCA
Nachschlag: Der Papst, die Kirche und die Rolle des Opiums für das Volk
Ab hier das Transkript:
AUFBAU
Teil I: Feindschaft und Aussöhnung
1. Einleitung – Verwunderung über Versöhnung
2. Antiimperialismus am Beispiel Kubas
3. Freihandel und Embargo
Teil II: Die internationalen Grundlagen und Folgen des Verhältnisses USA-Kuba
1. Die UNO
2. Der IWF
3. Die OAS und CELAC
4. NAFTA und FTAA /ALCA
FAZIT: Die Aussühnung mit Kuba ist der Versuch der USA zur Rückeroberung Lateinamerikas, in Konkurrenz zu China und der EU
Anhang: Der Vatikan – der Krisenpapst und seine Tätigkeit
KUBA – EIN RESPEKTABLES MITGLIED DER STAATENGEMEINSCHAFT?
Einleitung: überraschend ist die Annäherung zwischen Kuba und den USA schon – man vergesse nicht, daß es da schon einmal eine Weltkriegsdrohung gegeben hat, daß sich beide Staaten der Unterstützung des Terrorismus beschuldigt haben, – was gegenüber den USA auch stimmt – und daß die Rhetorik gegen die USA seit Jahrzehnten zum festen Bestandteil kubanischer Festreden gehört.
Und auf einmal sagt der amerikanische Oberhäuptling: Das ganze war nichts, lassen wirs! und die kubanische Führung antwortet: na super, endlich habt ihr es eingesehen, und dann fallen die beiden Staatsmänner einander so richtig in die Arme.
Um das zu verstehen – also die langjährige Feindschaft ebenso wie die plötzliche Aufkündigung derselben – muß man sich die Natur dieses Gegensatzes anschauen.
1. Gelebter Antiimperialismus
1. Was ist Imperialismus überhaupt: Staatengegensatz auf Grundlage des gegenseitigen Benutzungsverhältnisses, und die Niederlagen, die die meisten Staaten auf dem Weltmarkt erleiden. Die Staaten erkennen sich gegenseitig an, weil sie einander benutzen wollen. Deswegen auch diplomatischer Austausch, Staatsbesuche usw. Natürlich ist diese Benutzung eine sehr ungleiche, je nach den Möglichkeiten der jeweiligen Staaten – Exportnation und Absatzmarkt bedingen einander, aber bilanzmäßig schauen da einige Staaten alt aus. Das wieder hat etwas damit zu tun, wie erfolgreich das nationale Kapital war und ist und was der innere Markt eines Landes für seine Unternehmer hergibt.
Solche schiefen Verhältnisse werden oftmals, wie auch im Falle Kubas vor der Revolution, durch politischen Druck und militärische Interventionen befördert, um sicherzustellen, daß die Machthaber dieses Landes sich den Erwartungen und Forderungen der potenteren Macht beugen und in ihrem Sinne funktionieren.
Die durch der US-Besatzung und -Einmischung eingeschränkte Souveränität Kubas seit den Unabhängigkeitskriegen hat eine Art von Kritik hervorgerufen, die auch in anderen Weltgegenden populär war und teilweise noch ist, deren Vergangenheit von Kolonialismus, Besatzung und Interventionen aller Art geprägt war: Diese Antiimperialisten wollten die Einschränkungen der Souveränität abwerfen, die volle Souveränität über ihr Territorium erlangen und dann den Weltmarkt als Gleichberechtigte betreten und benutzen.
Wichtig ist hier zweierlei festzuhalten:
Erstens: Die Oberhoheit einer Regierung über ihr Territorium, die Unterordnung aller Bewohner eines Landes unter eine über sie verfügende Gewalt wird als etwas Selbstverständliches und für diese Staatsbürger Erfreuliches und Gedeihliches aufgefaßt. Die modernen Staatswesen mit ihren gesamten Institutionen, Unterrichtswesen, Justiz, Verfassung, Polizei und Regierung betrachten die Kritiker des Imperialismus als etwas ganz Normales, deren Durchsetzung nach innen ihnen genauso ein Anliegen ist wie die Verteidigung dieser Staatsmacht nach außen. Die Kritiker der Großmächte und die Amtsinhaber derselben sind Brüder im Geiste, und sie scheiden sich nur an der Rangordnung der Nationen in der Staatenkonkurrenz.
Zweitens: Gegen den Handel selbst, also gegen die Geschäftemacherei mit den Bewohnern und Produkten ihres und anderer Länder haben die Gegner der bestehenden Weltordnung keinen Einwand. Sie sind überzeugt, eine wirklich souveräne Regierung würde es schon verstehen, ihr Territorium und ihre Bevölkerung so herzurichten, daß sie auf dem Weltmarkt erfolgreich konkurrieren können. Diese Vorstellung hatten antiimperialistische Freiheitskämpfer auch in Afrika, in Südostasien, und in anderen Teilen Lateinamerikas. Sie waren überzeugt, daß nur das Hegemoniestreben der USA oder anderer Großmächte die Handelsströme verzerren, die Bevölkerung des eigenen Landes ins Elend stürzen und Marionetten an die Macht bringen, die als Lakaien der ausländischen Großmacht sich und ihren Gönnern die Taschen füllen, anstatt sich um den Aufbau des Landes zu bemühen.
Im Grunde wäre den Castros, Guevara und anderen bereits 1959, als sie das Batista-Regime wegfegten und sich selber als neue Herren Kubas installierten, durchaus recht gewesen, mit den USA auf gleich zu begegnen und Beziehungen zu etablieren, die auf völliger Gleichberechtigung beruhen. Sie sahen sich jedoch der geballten Feindschaft der USA gegenüber und waren deshalb genötigt, sich an die Sowjetunion zu wenden, um sich an der Macht halten zu können. Ihre Vorstellungen einer nach innen geeinten Nation setzten sie um: eine flächendeckende medizinische Versorgung und ein Unterrichtswesen, das als vorbildlich für ganz Lateinamerika galt und es immer noch ist. Kuba war auch lange einer der größten Buchproduzenten der spanischsprachigen Welt. Alles ideale Voraussetzungen für einen gedeihlichen Austausch mit anderen Nationen, der den Kubanern, so die Überzeugung der Führung, durch das Embargo der USA versaut wurde. Und sie wetterten deshalb gegen das Hegemoniestreben der USA.
Die USA ihrerseits betrachtete Kuba als eine Art Kolonie, nachdem sie sie den Spaniern abgejagt hatten. Seit der Monroe-Doktrin wurde überhaupt ganz Latein- vor allem Mittel-Amerika schrittweise als potentieller Hinterhof in die US-Hemisphäre angegliedert und zu einem solchen hergerichtet.
Kuba war wegen seiner geographischen Nähe den USA ein besonderes Anliegen. Um so größer der Ärger, als die Kubaner erstens ihre USA-freundliche Regierung zum Teufel jagten, sich zweitens dem großen Erzfeind in die Arme warfen und drittens auch noch einen Interventionsversuch erfolgreich abwehrten.
In den folgenden 2 Jahrzehnten unternahmen die USA alles Erdenkliche, um erstens die kubanische Führung zu stürzen, aber zweitens, um zu verhindern, daß sich noch irgendwo in ihrem Hinterhof Lateinamerika ein ähnlicher Betriebsunfall ereignete. Während ersteres nicht und nicht gelingen wollte, waren sie im 2. Fall sehr erfolgreich: mit einer Mischung aus mittels CIA eingesetzten und unterstützten Gorilla-Regimes, Folter, Militärinterventionen und Terror gelang es, andere Staaten in ihrem Einflußbereich zu halten.
Sie waren also insofern in ihren Zielen mit der Isolation Kubas sehr erfolgreich. Der kubanischen Führung gelang es nicht, ihr Revolutionsmodell zu exportieren. Der einzige Erfolg Kubas blieb die Selbstbehauptung.
Also von wegen, die Gegnerschaft hätte nichts gebracht. Die USA blieben Weltmacht Nr. 1 und Kuba blieb in Lateinamerika isoliert. Das war der Erfolg der USA während des Kalten Krieges.
Schon Gorbatschow machte den Kubanern klar, daß sie auf keine militärische Hilfe aus der SU rechnen könnten. Als die SU abdankte, fielen auch die Energie- und sonstigen Lieferungen weg, mit denen die SU Kuba unterstützt hatte. Die US-Führung hatte gute Gründe, anzunehmen, daß Kuba ähnlich wie die Satellitenstaaten der SU in Osteuropa „vernünftig“ werden, seine sozialistische Staatsraison aufgeben und sich wieder in die imperialistische Staatenfamilie eingliedern würde. Aber weit gefehlt! Die kubanische Regierung verkündete eine „spezielle Periode“ der Umstellung der Wirtschaft auf möglichst autarke Produktion – und hielt sich weiter an der Macht!
Und auch seither gab es keine Anzeichen, daß das kubanische „Regime“ von der Bühne abtreten würde. Ein für die USA sehr unbefriedigender Zustand. Es ist, als ob die Führung dieser Karibikinsel der Weltmacht Nr. 1 in einem fort die Nase gezeigt hätte und „Ätsch“ gesagt hätte. Vom Standpunkt der überlegenen Gewalt, die sich die ganze Welt untertan machen will und auch die nötigen Mittel dazu hat, blieb Kuba also ein Ärgernis.
2. Handel und Wandel
Kommen wir zurück zum Welthandel, der Konkurrenz der Nationen auf der Ebene des Warenaustausches. Unter den Bedingungen des heutigen global durchgesetzten Kapitalismus heißt der Freihandel, dem sich inzwischen die meisten Nationen verschrieben haben, daß diejenigen Kapitale, die kostengünstiger produzieren, sich den Weltmarkt erobern. Das wird mit dem Schlagwort „Produktivität“ heute auch vorbehaltlos anerkannt – wenn das nationale Kapital eines Landes eine zu niedrige Produktivität hat, so haben die dortigen Akteure – Politiker wie Unternehmer – etwas falsch gemacht und werden durch Zerstörung der eigenen produktiven Basis dafür abgestraft. Durch den Freihandel wird so ein Land zu einem Markt für die erfolgreichen Kapitale und muß sich verschulden, um den Kreislauf seiner Ökonomie mit Hilfe von Importen am Laufen zu halten. Um seine Zahlungsbilanz irgendwie hinzukriegen, muß es seine Ökonomie für fremde Bedürfnisse herrichten, um durch Tourismus oder Export von Rohstoffen doch irgendwie an Devisen zu kommen. Die Ergebnisse sieht man in jüngerer Zeit an Staaten wie Argentinien oder den Pleitestaaten der EU.
Im 19. Jahrhundert gab es das Gegenkonzept der Schutzzollpolitik. Die alten Kolonialmächte richteten exklusive Zonen ein, schützten sowohl das Mutterland als auch ihre Kolonien vor fremden Waren und benützten sie exklusiv als Markt und Rohstoffquelle für die Erzeugnisse des eigenen Kapitals.
Heute ist die Schutzzollpolitik kein Thema mehr. Auch Gegner der gegenwärtigen Freihandelsabkommen, wie Attac, verlangen nicht das Errichten von Zollschranken, sondern: Freihandel ja! – aber unter Respektierung der Souveränität! Sowohl Kritiker als auch Verfechter des Kapitalismus betrachten den Handel, den ganz gewöhnlichen Schacher als etwas, was allen Seiten nur dienen kann. Sogar die Politiker und Ökonomen von einem Staat wie Rußland, das sich selbst versorgen könnte, setzen auf den Weltmarkt, weil sie sich dadurch eine Belebung der Konkurrenz und dadurch eine Steigerung der Produktivität ihrer eigenen Unternehmen erwarten.
Eine Schutzzollpolitik von unterlegenen Staaten, die dadurch versuchen könnten, eine eigene produktive Basis aufzubauen, würde heute von den wichtigen Weltmächten nicht geduldet werden – es käme einer Kriegserklärung an die geltende Weltordnung gleich und womöglich würde gleich wer einmarschieren. Es ist aber wichtig, festzuhalten, daß es eben auch auf der Seite der Verlierer und der linken Kritiker des Weltmarktes diese Überlegung nicht gibt. Alle sehen offene Grenzen für den Warenverkehr als unverzichtbare Bedingung für das Gedeihen der eigenen Wirtschaft an.
Unter solchen Bedingungen ist es eine Ironie der Geschichte, daß das, was Schutzzölle seinerzeit leisten sollten, heute durch Handelsembargos verwirklicht wird. Nicht die eigenen Regierungen sind es, die ihre Ökonomie abschotten und dadurch von überlegener Konkurrenz schützen wollen, sondern fremde Regierungen und internationale Institutionen verordnen den betroffenen Nationen diese Isolation und dadurch Beschränkungen des Handels – mit ähnlichen Resultaten wie die seinerzeitigen Schutzzölle: Die betroffenen Staaten müssen ihre Produktion für den inneren Markt ankurbeln und sich mit befreundeten Nationen auf Bartergeschäfte einigen, also auf bloßen Warentausch ohne die Vermittlung eines international anerkannten Zahlungsmittels.
Man kann also sagen, Kuba hat in einem gewissen Sinne vom Embargo profitiert. Es wurde von befreundeten Staaten zu Konditionen versorgt, die nicht den Weltmarkt-Bedingungen entsprachen. Die ersten 2 Jahrzehnte durch den RGW, später durch Venezuela, und auch durch Kredite aus China, das Kuba im Rahmen seiner Strategie zur Eroberung des lateinamerikanischen Marktes relativ großzügig kreditiert hat.
Um auf andere Embargos hinzuweisen: Auch Serbien und Montenegro haben zur Zeit des Embargos weitaus mehr produziert als heute. Ebenso haben die Sanktionen gegen Rußland in erster Linie bewirkt, daß Rußland seine Handelspolitik überdacht und seine Ökonomie auf die veränderten Bedingungen eingestellt hat.
Das ist inzwischen auch den USA aufgefallen. Sie haben gemerkt, daß das Embargo Kubas Selbständigkeit gestärkt und ihnen einen potentiellen Markt entzogen hat.
Soweit einmal meine Ausführungen zu Handel und Embargo. Falls dazu wer was zu sagen oder zu fragen hat, so bitte jetzt.
Als nächstes will ich mich der weltpolitischen Dimension des seinerzeitigen Gegensatzes zwischen den beiden Staaten und seiner Aufhebung widmen.
TEIL II: DIE WELTBÜHNE UND IHRE INSTITUTIONEN
1. Die UNO
In dieser Institution ist einerseits das Prinzip der Souveränität anerkannt – gleichberechtigte Nationen treffen sich und setzen sich über ihre Verkehrsformen ins Benehmen. Dieses Prinzip ist in der UNO-Vollversammlung manifestiert. Dort können auch Simbabwe oder Guatemala Vorschläge einbringen und dann werden mittels Abstimmung Resolutionen erlassen, an die sich kaum wer hält, weil sie in den einzelnen Staaten von den dortigen Gesetzgebern nicht ratifiziert werden. Die UNO-Vollversammlung ist also einerseits die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und das Forum, wo sich die Souveränitäten miteinander ins Benehmen setzen. Gleichzeitig ist sie jedoch in der Folgenlosigkeit ihrer Resolutionen ein Hinweis darauf, daß die Souveränität sehr wenig wert ist, wenn sie sich an imperialistisch gewichtigen Interessen messen muß.
So ist auch innerhalb der UNO gleichzeitig anerkannt, daß manche gleicher sind als andere und das ganze Trara um Gleichberechtigung ein Schuß in den Ofen ist. Im Sicherheitsrat sagen nämlich die wirklich wichtigen Mächte, was Sache ist, und die Resolutionen dieses Gremiums haben ein ganz anderes Gewicht als die frommen Wünsche der Vollversammlung. Lästigerweise wurde in die UNO-Charta, auf Drängen der SU seinerzeit ein Vetorecht hineingeschrieben, und Rußland als Nachfolgestaat der SU anerkannt und in den Sicherheitsrat aufgenommen. Ein ähnlicher Störfaktor ist China. Der Sicherheitsrat ist also ein Ort, wo sich Großmächte so richtig um Einflußsphären streiten und in die Haare geraten.
Kuba als weltpolitisch kleinformatiger Staat konnte sich nur in der Vollversammlung austoben und hat das auch sehr gründlich getan. Fidel Castro hat dort legendäre Reden gehalten, die sowohl wegen ihrer Länge als auch wegen ihres Inhalts in die Geschichte eingegangen sind. Die kubanische Führung nutzte die UNO-Vollversammlung als Forum zur Verbreitung ihres Standpunktes. Gebracht, im Sinne von politischen Verbündeten oder Wirtschaftsbeziehungen hat das alles Kuba recht wenig: diejenigen Staaten, die als ebenfalls politisch nachrangige und ökonomisch abhängige Akteure der imperialistischen Weltordnung unterwegs waren, konnten es sich meistens nicht leisten, sich mit Kuba zu verbünden, oder aber, wie im Falle Angolas, belastete das Bündnis Kuba mehr, als es ihm brachte.
Die UNO war also für Kuba nur eine Bühne, aber kein Mittel, sich politisch und wirtschaftlich über die ökonomische Abhängigkeit von der SU und die Feindschaft der USA hinwegzusetzen.
2. Der IWF
Der IWF ist eine Institution, die den Welthandel und die Kompatibilität der Währungen beaufsichtigt. Damit Staat A sich mit Staat B wirtschaftlich ins Benehmen setzen kann, brauchen beide ein gemeinsames Tauschmittel, um ihre Produkte austauschen zu können und ausländische Investitionen zu ermöglichen. Das Kapital, sowohl in der Form des Handelskapitals als auch in der des Unternehmers, der in diesem Land Geschäfte machen will, bedarf dafür eines international anerkannten Zahlungsmittels, das ihm garantiert, daß seine Produkte und deren Verkauf ihm Einnahmen in einem weltmarktfähigen Maß der Werte stattfinden.
Staaten, die kein international anerkanntes Geld haben – Weichwährung heißt so etwas im volkswirtschaftlichen Jargon – benötigen daher eine Hilfestellung, um sich in den Welthandel einklinken zu können. Die Adresse dafür ist der IWF. Er mischt sich sehr unverschämt in die Wirtschaftspolitik der betroffenen Staaten ein, und erteilt im Gegenzug sogenannte Standy-By-Kredite. Damit garantiert er die sogenannte Konvertibilität der jeweiligen Weichwährungsländer. Diese Kredite ermöglichen, daß der betroffene Staat immer genug Devisen, also Weltgeld hat, um Investoren zu garantieren, daß sie ihre im jeweiligen Land gemachten Geschäfte in eine Weltwährung umgewechselt werden können.
Das internationale Kapital erhält dadurch die Sicherheit, daß es seine Gewinne auf dem Weltmarkt zirkulieren und re-investieren kann.
Für viele Staaten der Welt, vor allem ion Lateinamerika, eröffnete der IWF die Möglichkeit, sich international zu verschulden – in der Hoffnung, dadurch eine eigene Industrie und kapitalistisch durchorganisierte Landwirtschaft aufzuiehen zu können. Dadurch gerieten sie in Schuldenfallen, lösten Schuldenkrisen aus und mußten sich vom IWF Programme diktieren lassen, die in den jeweiligen Ländern viel Elend verursachten – ähnlich wie heute in Griechenland.
Dennoch legen die Staaten der Welt so viel Wert auf diese Dienstleistung, mit der die Konvertibilität ihrer Währung ermöglicht wird, daß keiner draußen bleiben will. Außer Kuba fehlen bei diesem Klub noch Nordkorea, Andorra und der Vatikan.
Kuba ist 1964 aus dem IWF ausgetreten, als es Scherereien um die Rückzahlung eines von der Regierung Batista aufgenommenen Kredit gab. Seither gab es von keiner Seite Interesse, die Geschäftsbeziehung wieder aufzunehmen. Das 1996 in den USA erlassene Helms-Burton-Gesetz gebietet den USA auch, jeden Versuch einer Wiederannäherung im IWF zu blockieren.
Bemerkenswerterweise hat auch dieser Umstand, ähnlich wie das Embargo, die Ökonomie Kubas eher geschützt als ihr geschadet. Kuba war genötigt, politische Kredite zu erhalten, erst von der SU, dann von China und Venezuela. Diese Kredite wurden nicht von einem marktwirtschaftlichen Gesichtspunkt vergeben, weil sich diese Staaten mit Kuba einen Verbündeten schaffen bzw. halten wollten. Deshalb ließen sich diese Handelspartner auch auf Austausch von Waren und Dienstleistungen ohne Vermittlung eines Weltgeldes ein.
Ob es zwischen Kuba und dem IWF zu einer Annäherung kommt, ist noch nicht heraußen. Es bewegt sich jedoch einiges in Sachen eingefrorene Alt-Schulden:
„Kuba und wichtige Gläubigerländer sind Diplomaten zufolge in ihren Schuldenverhandlungen einen großen Schritt vorangekommen. Beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, dass der Karibikstaat Mitgliedern des sogenannten Pariser Clubs insgesamt 15 Milliarden Dollar (13,44 Mrd. Euro) schulde, sagte einer der westlichen Diplomaten.
Die Verbindlichkeiten gehen auf einen Zahlungsausfall Kubas 1986 zurück.“ (Standard, 9.6.)
„En 1985 Fidel Castro lanzó una campaña para no pagar la deuda externa de Cuba y en discursos e intervenciones en la radio y televisión llamó a los países latinoamericanos a no pagar la deuda externa.“ <martinoticias.com> Das bezieht sich auf die Schuldenberge, die Lateinamerika mit Hilfe des IWF zwischen 1975 und 1983 aufgehäuft hatte, was die Geschäfte mit Staatsschulden steigen ließ und zur lateinamerikansichen Schuldenkrise 1982 ff. führten. Zahlungsausfall ist übrigens nicht ganz korrekt.
Hier sieht man, wie Kuba es sich leisten konnte, Schulden nicht zu zahlen, – weil es kein Mitglied des Weltwährungssystems war – während andere Staaten dazu nicht in der Lage waren, weil der Preis zu hoch gewesen wäre.
3. Die OAS und die CELAC
Die OAS wurde 1948 gegründet, auf Initiative verschiedener lateinamerikanischer Staaten. Damals war Lateinamerika noch nicht der Hinterhof der USA. Verschiedene südamerikanische Staaten erwarteten sich – ähnlich wie vom IWF – eine Belebung und Modernisierung ihrer Wirtschaft von einer inneramerikanischen Zusammenarbeit.
Im Laufe der kommenden Jahrzehnte entwickelte sich die OAS zu einem sehr einseitigen Instrument der USA im Kalten Krieg. Der Sitz der OAS war Washington, und die USA zahlten am meisten in das Budget der Organisation ein. 1962 erwirkten die USA mit großer Zustimmung und unter Enthaltung einiger Staaten den Ausschluß Kubas aus dieser Organisation, mit der Begründung, daß der Marxismus-Leninismus auf diesem Kontinent keinen Fuß fassen dürfe. Die OAS definierte sich somit am Objekt Kuba: Der Antikommunismus, die Bekämpfung von revolutionären Bewegungen wurde zu einem wesentlichen Moment der Tätigkeit der OAS.
Auch hier, wie bei den anderen Maßnahmen der USA gegen Kuba, erwies sich der Ausschluß als kontraproduktiv für die Absichten der USA, weil die OAS von diesem Zeitpunkt an keine Möglichkeit der Einmischung in die Angelegenheiten Kubas hatte. Kuba hingegen behielt Einfluß und baute diesen auch aus – über bilaterale Beziehungen zu Staaten, die sich der Hegemonie der USA widersetzten, – fast alle Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Der Ausschluß aus der OAS verschaffte Kuba Bewegungsfreiheit und schränkte die Kontrollmöglichkeiten der USA ein.
Nach dem Putsch in Honduras 2009, wo die USA offen die Putschisten gegen die gewählte Regierung Zelaya unterstützten, gründeten die lateinamerikanischen und karibischen Staaten 2010 eine neue Organisation, die CELAC, ohne die USA und Kanada. Honduras wurde aus der OAS ausgeschlossen und erst 2 Jahre später wieder aufgenommen, nachdem die Nachfolgeregierung die Rückkehr Zelayas erlaubt hatte.
Die Gründung der CELAC war nur ein Ergebnis dessen, was sich auch innerhalb der OAS entwickelt hatte: ein zunehmender Widerstand gegen die Hegemonie der USA, der sich quer durch den Subkontinent verbreitete. Die OAS verwandelte sich schrittweise in eine Institution gegen die Hegemonie der USA. Dazu trugen der Aufstieg Brasiliens seinen Teil bei, die Gründung der BRICS, der zunehmende Einfluß Chinas und die im Laufe der Zeit an die Macht gekommenen USA-kritischen Regierungen von Venezuela, Bolivien, Ecuador, Argentinien, Chile und Uruguay.
Die Versöhnung der USA mit Kuba muß also auch in dem Lichte betrachtet werden, daß die USA versuchen, ihre Rolle innerhalb der OAS wieder zu stärken.
4. NAFTA und ALCA: Die Freihandelsabkommen und ihre Gegenprojekte
1994 wurde das Nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko gegründet. Alles, was ich vorher über den Freihandel und dergleichen Abkommen gesagt habe, ist hier Wirklichkeit.
Es hat praktisch alle Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten abgeschafft. Am NAFTA kann man sehen, was so ein Freihandelsabkommen zwischen Staaten mit unterschiedlicher Kapitalakkumulation anrichtet. Mexikos vorher noch bestehende Industrie wurde zu einem guten Teil zugrunde gerichtet, es wurde zum Markt der USA-Industrie. Das NAFTA-Abkommen ist, nebenbei bemerkt, einer der Gründe für die seither stattfindende Eskalation der Gewalt in Mexiko. Es hat die Ökonomie Mexikos völlig an die Bedürfnisse der USA gekoppelt und den inneren Markt Mexikos ruiniert. Aber darüber will ich mich jetzt nicht verbreitern, das ist ein eigenes Thema.
Gleichzeitig mit der NAFTA als Vertragswerk wurde die ALCA oder FTAA, die Amerikanische Freihandelszone als Projekt eingerichtet. Es soll die NAFTA auf ganz Lateinamerika und die Karibik ausdehnen. Dieses Projekt ist nie weitergekommen, die Staaten Lateinamerikas widersetzten sich dem Ansinnen der USA, sich ökonomisch zur Spielwiese des US-Kapitals zu machen. Es gab nur bilaterale Abkommen, wie z.B. mit Chile, ein ganz Lateinamerika umfassendes Projekt kam jedoch nicht zustande. Inzwischen gilt das Projekt als gestorben.
2003/2004 wurde von den USA, um in der Sache weiterzukommen, das CAFTA-Projekt gestartet, um die Staaten Zentral-Amerikas und unter den Freihandels-Hut zu bringen, und so zumindest einen Teilerfolg zu verbuchen.
Kuba war neben Venezuela der größte Gegner der ALCA und CAFTA und ließ keine Gelegenheit und kein Forum ungenützt, um dagegen Stimmung zu machen. Es ist wahrscheinlich, daß sich die USA von der Aussöhnung mit Kuba erhoffen, das ALCA-Projekt wiederzubeleben.
Venezuela und Kuba haben als Antwort 2004 das ALBA-Projekt (Bolivarische Allianz für Amerika) gestartet, um den Austausch zwischen den lateinamerikanischen Wirtschaften zu fördern. Sie haben auch nichts gegen Freihandel, nur eben auf Basis der Gleichberechtigung. Inzwischen gehören noch Nicaragua, Bolivien und Ecuador sowie Surinam und einige Inselstaaten der Karibik der ALBA an. Der geplante Beitritt von Honduras war der Haupt-Grund für den Putsch 2009.
Die ALBA-Organisation verfügt auch über eine eigene Entwicklungsbank mit Sitz in Caracas und eine Verrechnungseinheit für den Austausch zwischen den jeweiligen Ökonomien namens Sucre.
Die Finanzkriese, der Tod von Chávez und inzwischen auch das Fallen der Ölpreise haben das ALBA-Projekt in den letzten Jahren sehr gebremst, aufgegeben wurde es jedoch nicht.
Die ALBA ist auch deswegen nicht wirklich weitergekommen, weil sich die Staaten des Mercosur nicht angeschlossen haben. Der Mercosur wurde 1991 von Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gegründet. Seine Ziele waren weitaus bescheidener als die der ALBA, und auch nicht gegen die USA gerichtet, macht aber als Wirtschaftsraum mehr her. Der Mercosur kommt durch Rivalitäten zwischen seinen Mitgliedern nicht so recht voran. Der Bankrott Argentiniens hat die Integration weiter behindert. Brasilien wollte auf jeden Fall seine führende Rolle im Mercosur nicht aufgeben, und so gfretten sich die beiden Systeme nebeneinander herum. In den letzten Jahren hat das Handelsvolumen mit China sehr zugenommen – der Zusammenschluß der lateinamerikanischen Staaten hat sich also vor allem als Mittel Chinas bewährt.
Die Umarmung Kubas durch die USA ist ein Versuch, die US-kritischen Staaten zu isolieren und ihres prestigeträchtigsten Verbündeten zu berauben. Wenn die antiamerikanische Rhetorik Kubas jetzt verstummt, so wäre diejenige der anderen Staaten in ihrer Wirkung sehr geschwächt und ihr ein Stück weit der Boden entzogen.
Ebenso ist die Charme-Offensive der USA von dem Ziel beseelt, Lateinamerika ökonomisch zurückzuerobern und die EU und China von dort zu verdrängen. Auch innerhalb der EU gibt es eine gewisse Konkurrenz – während Spanien seit Jahren versucht, irgendwelche Dissidenten aufzubauen und sich damit die Karten für eine mögliche Ära nach Castro zu sichern, fuhr Präsident Hollande gleich nach der USA-Kuba-Aussöhnung dorthin, um Frankreich einen guten Startplatz für den Moment der Aufhebung des Embargos zu sichern.
Die spanische Regierung ist übrigens ziemlich sauer über die durch die Aussöhnung erfolgte Aufwertung des kubanischen „Regimes“, weil sie dadurch mit ihrer Politik der letzten Jahre blamiert ist. Aber auch da ist noch alles offen – die USA will die Versöhnung mit Kuba schon für einen Regime-Change nützen, vielleicht kommt da Spaniens Vorarbeit wieder gelegen.
APPENDIX „Wie viele Divisionen hat der Papst?“ Die Rolle der Kirche und des Vatikans in der „historischen Aussöhnung“ –
Die Aussöhnung zwischen Kuba und den USA wurde vom Papst angeregt. Erst bei einem Besuch Obamas im Vatikan, dann mit Briefen an beide Präsidenten, dann mit dem Empfang von Delegationen beider Staaten im Vatikan. Franziskus tritt hier als Botschafter Gottes auf, und versucht durch Vermittlung USA-Kuba wieder Terrains in Lateinamerika zu gewinnen.
Lateinamerika war stets die wichtigste Bastion der katholischen Kirche. In den letzten Jahrzehnten ist, vor allem durch die Bekämpfung der Theologie der Befreiung, ein starker Mitgliederschwund eingetreten: die Gläubigen wandten sich von Gott ab, gründeten eigene Gemeinden außerhalb der Kirche oder wendeten sich evangelschen und anderen Sekten zu.
Sowohl die USA als auch Kuba sind für Rom sozusagen unbestellte Äcker, Neuland. In den USA war die katholische Kirche immer eine der Minderheiten, der Emigranten aus Irland und Lateinamerika. Durch die massive Einwanderung der letzten Jahrzehnte ist der Anteil der Katholiken in den USA jedoch stark gestiegen und der Pontifex und seine Mitarbeiter rechnen sich da gute Chancen aus, auch unter der kubanischen Gemeinde in Miami, wenn sie mit einer Art Morgengabe dort anrauschen – der Papst hat ja vor, in diesem Jahr die USA und Kuba zu bereisen und die Früchte seiner Vermittlertätigkeit einzuheimsen.
Auch in Kuba ist einiges zu holen. Kuba war nie ein erzkatholisches Land wie viele andere Länder Lateinamerikas. Vor der Revolution war die Präsenz der Kirche auf die Städte und die weiße Oberschicht beschränkt. Die Schwarzen in Kuba waren und sind Anhänger afroamerikanischer Kulte, die unter dem Namen Santeria zusammengefaßt werden.
In den letzten 2 Jahrzehnten hat sich jedoch in dieser Hinsicht einiges bewegt. Erstens sind jede Menge evangelische Sekten über Kuba hergefallen, von Baptisten und Adventisten über Zeugen Jehovas und was es sonst noch alles gibt. Vor allem aber hat die kubanische Führung selbst das Opiums fürs Volk wiederentdeckt , und die Nähe zum Vatikan gesucht. Den Anfang nahm der Besuch von Wojtyla 1998, der erste Besuch eines Papstes in der Geschichte Kubas. Es folgte 14 Jahre später Ratzinger und heuer ist eben der Neue angesagt.
Die kubanische Führung hat sich da in zweierlei Hinsicht Handlungsspielraum verschafft: erstens gewann das „Regime“ dadurch international an Anerkennung, es erhielt sozusagen den Ausweis seiner Hochanständigkeit. Die ganzen Anschuldigungen wegen Menschenrechtsverletzungen und dergleichen verpuffte auf einmal, nachdem diese Speerspitzen des Antikommunismus den Castros und deren Mannschaft sozusagen ihren Segen gegeben hatten.
Zweitens aber haben sie sich nach innen Luft verschafft: niemand braucht wegen irgendwelcher mangelnder Freiheiten protestieren, wenn er oder sie zum Pfarrer laufen und sich ausrern oder im stillen Kämmerchen sichs persönlich mit dem Herrn ausmachen kann. In welche Richtung Kuba sich entwickeln wird, ist noch nicht heraußen, es wurde aber dafür vorgesorgt, daß etwaige Unzufriedenheit über Armut, Konkurrenz und Ungleichheit ein entsprechendes Ventil hat.
One reply on “Die Annäherung zwischen Kuba und den USA”
Sehr interessanter Vortrag, vielen Dank. Dass Handelsembargos heute effektiv die Funktion von Schutzzöllen erfüllen, ist IMHO insb. nachdenkenswert. Ob das beabsichtigt ist?