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live the utopia … Ecotopia

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Ich wurde eingeladen einen  Artikel für Online Progress zu Schreiben, mit der Aussicht Geld mit meiner Propaganda zu verdienen. Dieser Einladung kam ich natürlich sehr gerne nach (dies bedeutet auch, dass es bald neue Termitintus Sticker geben wird). Hier der Artikel auch zu finden auf Progress Online.

live the utopia … Ecotopia

Text von Susi Huber

Ich bin in der neu eröffneten Bikekitchen1 in Europas größtem besetzen Haus, dem Yfanet, in Thessaloniki zu Gast. Es wird geschraubt, gewerkt und gebastelt, diverse alte Räder werden auf Vordermann/Vorderfrau gebracht, denn es ist nicht mehr lange Zeit, dann geht es los…

IMG_03Doch wie kam es dazu? Nach der Wiedervereinigung und dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde es plötzlich wieder möglich, dass sich Menschen aus dem Osten und Westen treffen, so entstand die Idee von einem gemeinsamen utopischen, ökologischem Festival. Das Ecotopia Gathering wurde erstmals 1989 in Köln abgehalten. Um dem ökologischem Festival Genüge zu tragen, entstand schon im darauf folgendem Jahr die Idee mit dem Fahrrad anzureisen – die Ecotopia Biketour2 wurde geboren: „Langsam genug um mit der Natur in Einklang zu sein, aber doch schnell genug, um das Gefühl zu behalten, dass man auf Reisen ist“. Es reisten also um die 100 Personen aus ganz Europa mit dem Fahrrad an, schliefen in Turnsälen und es gab eine eigene Küchencrew, die mit dem Auto dabei war.

Im Laufe der 90er Jahre wurde diese Form der Anreise immer wichtiger, man fuhr mit dem Rad zum Festival ins Baltikum, entlang der Donau bis nach Bulgarien, durch Frankreich in die Schweiz, von Ungarn nach Rumänien, Polen, Niederlande, Moldawien, England, Spanien, Italien und durch das ehemalige Jugoslawien. Immer mit den Prinzipien des Festivals im Kopf, der selbst erdachten Wunschform einer neuen auf Gemeinsamkeit beruhenden Gesellschaftsordnung, die auf alle Fälle eine stark ökologische Komponente hat. Im Jahr 2008 gab es erstmals das Ecotopia Gathering, das Festival zu dem man fuhr, nicht mehr. So wurde die Tour unabhängiger in Bezug auf die ausgewählten Orte die erreist und besucht werden können.

IMG_09Wo geht es dieses Jahr hin? Nach mehr als zehn Jahren gibt es jetzt nur mehr ein Land, in dem die Fahrradtour noch nie war: Griechenland. Startpunkt ist am 11. Juli 2014 in Sofia/Bulgarien, anschließend geht es durch Serbien, den Kosovo, über Mazedonien nach Griechenland. Während dieser Tour sollen Stopps eingelegt werden um diverse ökologischen oder zivil-gesellschaftlichen Projekten einen Besuch von bis zu einer Woche abzustatten. Mitzuarbeiten, Workshops zu organisieren oder einfach nur mit den Menschen eine Zeit lang zu leben.

Als erster Stopp geht es nach Thessaloniki, da die komplette Reise heuer von zwei EU-Freiwilligen von dort aus geplant wird, wird es einiges zu sehen und zu erleben geben. Eine der Basisstationen wird sicherlich das Yfanet3 – Europas größtes besetztes Haus – sein. Denn hier treffen sich eben jetzt schon die Fahrradbegeisterten, um die Tour zu planen und an Fahrrädern zu schrauben. Aus altem Fahrradschrott werden mit Hochdruck neue gebastelt, um allen Menschen, die Lust haben zu ermöglichen die Tour mitzumachen. In Thessaloniki ist es traditionell nicht sehr verbreitet mit dem Fahrrad zu fahren, was sicherlich an den hohen Temperaturen in den Sommermonaten liegt, außerdem ist radeln auch nicht ganz ungefährlich, weil im Straßenverkehr einfach nicht damit gerechnet wird und Fahrwege sind, bis auf die Promenade am Meer, äußerst rar. Außerdem wird es einen Stopp im Sxoleio4 geben, ein weiteres besetztes Haus, in dem man jeden Abend hervorragend speisen kann und zahlreiche andere Aktivitäten, die im Haus stattfinden. Hier gibt es einen Bioladen, der ökologisch vertretbare Produkte aus der Region verkauft. Ein weiteres Ziel ist ein Gemeinschaftsgartenprojekt5 und „Vio.me“6 eine von den Arbeiter_innen besetzte und gemeinschaftlich verwaltete Fabrik.

Anschließend ist Halkidiki in Nordgriechenland angedacht, das Urlaubsparadies mit seinen malerischen Stränden und Buchten eignet sich definitiv zum verweilen. Außerdem finden die Abenteuerurlauber_innen in Ierissos Proteste der lokalen Bevölkerung gegen den Bau von Goldminen7, ein ähnliches Projekt wurde schon letztes Jahr in Cluj/Rumänien besucht. Letztes Jahr bekam man auf der Reise an verschiedenen Orten durch die man fuhr, diverse Proteste gegen den Goldabbau mit, so hatte man einen einzigartigen Einblick in diese Proteste.

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Wie wird das Leben auf Tour organisiert? Jedem Menschen bleibt es selbst überlassen sich auszusuchen wie lange und wie weit er oder sie bei der Tour mitfährt, von einer Woche oder bis zu der gesamten Zeit, den 2,5 Monaten. Die Organisator_innen legen Wert darauf, dass es jedem Menschen möglich ist teilnehmen zu können, deshalb planen sie Tagestouren von maximal 60km je nach Straßenbedingungen und Höhenkilometern. Zentral bei der Tour ist der Werte-Austausch mit Menschen aus ganz Europa, es geht dabei weniger darum wie weit gefahren wird, sondern um das gegenseitige voneinander lernen und den gemeinsamen Weg.

Jedem und jeder steht es frei während der Fahrt zu entscheiden, welches Tempo gefahren wird, deshalb werden die Tagesetappen so geplant, dass ein paar „Scouts“ eingeteilt werden an erster Stelle zu fahren und mit Kreide die Route für die anderen am Boden zu markieren. Am Abend trifft man sich schließlich wieder und es wird gemeinsam gegessen.

Jeden Tag wird jemand anderer eingeteilt, um regional einzukaufen und mit Hilfe eines Rocketstoves8 für alle zu Kochen. Geldbedarf entsteht eigentlich vorwiegend durch das benötigte Essen. Für den Zweck wird von jedem oder jeder Teilnehmer_in zwischen 3 und 5 Euro pro Tag eingesammelt. Dies passiert völlig anonym, es wird lediglich auf einer Liste vermerkt, dass diese oder jene Person bezahlt hat, nicht jedoch die Summe, die bezahlt wurde. Ernährt wird sich vegan, um niemanden auszuschließen.

Geschlafen wird während diesen 2500km bei den angesteuerten Projekten alternativen Lebens, in besetzen Häusern, sozialen Zentren, in Zelten oder unter freiem Himmel.

Wer ist verantwortlich für die Tour? Im Großen und Ganzen entsteht die Gemeinschaft während der Tour immer neu, je nachdem welche Menschen mitradeln und sich einbringen. Es gibt die angesprochenen Aufgaben, die freiwillig erledigt werden sollen, jeden Tag soll sich jemand anderer dafür melden. Dokumentiert wird das ganze ebenfalls freiwillig. Es gibt immer wieder Menschen, die gerne Berichte schreiben, besonders spannend wird es wenn es zu einem Ereignis zwei verschiedene Sichtweisen gibt.

Im Vorfeld wird die Tour von einem Team, meist zwei bis drei Personen geplant und organisiert. Dieses Jahr sind es zwei Personen aus Österreich und England, die stationär in Thessaloniki sind. Finanziert werden diese zwei Posten durch den EU-Freiwilligendienst. Von ihnen werden Projekte ausgewählt, die es Wert sind beradelt zu werden. So entsteht eine Route, die vielleicht nicht immer dem direktem Weg entspricht, aber schöne Orte und interessante Projekte einbezieht. Besonders wichtig ist ihnen dabei, dass die lokalen Gegebenheiten eingebunden werden und die Bevölkerung vor Ort zum Fahrradfahren motiviert wird. Eine der wichtigsten Dinge dabei ist die Sprachbarriere, deshalb werden alle Texte in die verschiedensten lokalen Sprachen übersetzt (bulgarisch, serbisch, mazedonisch und griechisch).

Schließlich ist nur mehr eine Frage offen: Wie kann ich Teil dieses Projektes werden? Auf meine Frage während des Interviews zum Podcast9, wie man ihnen helfen kann, sagt einer der Organisatoren, dass man Werbung für die Tour machen kann, um vor allem diese Art der Lebensweise zu verbreiten. Eine Utopie, die helfen soll, einen respektvolleren Umgang miteinander zu pflegen, naturbewusster zu Leben, im Einklang mit der Natur, der Umwelt und den Menschen. Letztlich steht es jedem und jeder frei sich für die Tour anzumelden und sich Zeit zu nehmen, den östlichen Teil Europas mit dem Rad zu erkunden.

 
Fußnoten:

1 Bikekitchen ist ein Begriff, der Allgemein für Fahrradwerstätten gebraucht wird, in denen Menschen anderen zeigen, wie man Fahrräder repariert, ohne selbst Expert_in zu sein.

2 Ecotopia Biketour: https://www.ecotopiabiketour.net/

5 Gemeinschaftsgartenprojekt: http://perka.org/node/226

7 Ecotopia Biketour visits S.O.S. Halkidiki struggle against goldmine: https://www.ecotopiabiketour.net/?p=4244

8 Ein Rocketstove ist ein transportabler Hockerkocher, der mit Holz geheizt wird, ein Ofenmodell ähnlich einem Kachelofen. Die Hitze breitet sich durch ein spezielles Durchzugssystem äußerst ökonomisch aus.

9 Podcast zum Artikel: http://termitinitus.org/

 

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